
„Warum soll ich mich mit all den Gesetzen oder den Vorgängen auf Behördenebene auskennen? Wenn ich doch nur meinen Werkzeugkasten, die Maschine und die entsprechende Zeit für eine Ausbildung brauche?“
— Don AdA

Zugegeben, nüchtern in der Momentaufnahme der aktuellen betrieblichen Ausbilderverwendung betrachtet, scheint es in der Tat so, dass einige Inhalte in der Vorbereitung auf die AVEO-Prüfung unnützer Lernstoff und mit der abgelegten Prüfung nicht mehr anzuwenden oder zu gebrauchen sind. Welcher Schreinerbetrieb hat einen medial ausgestatteten Unterrichtsraum? Oder welche Gärtnerei hat denn schon einen Betriebsrat?
In der Tat scheint es auch den Eindruck zu erwecken, dass einige der Prüfungsinhalte keinen absoluten und direkten Zusammenhang mit einer tatsächlichen Ausbildung haben. Welcher Kiosk des Einzelhandels hat schon 10 Auszubildende verschiedener Jahrgänge?
Und besonders in der intensiven Lernphase vor den Prüfungen widersprechen manche Kapitel dem individuellen Min-Max-Prinzip, mit dem man unter minimalen Lernaufwand das maximale Ergebnis erzielen möchte.
Alibi versus Horizont
Warum werden also Gesetze so intensiv bearbeitet? Warum werden Themen über Landesbehörden, geisteswissenschaftliche Theorien und theoretische Konzeptionen in den Prüfungsumfang aufgenommen?
Eine erste Antwort auf diese Fragen soll dem Militärischen entlehnt sein. Sehr vereinfacht ausgedrückt, ein militärischer Führer kann eine Lage aktiv und operativ nur dann handhaben, wenn er seine Aufmerksamkeit nicht nur seinem Verantwortungsbereich, sondern auch den Interessensbereichen darum herum widmet.
Übertragen auf die betriebliche Ausbildung bedeutet dies, dass der Ausbilder einerseits „Meister seines Berufes“ sein muss, um die entsprechenden berufsspezifischen Abläufe, Tätigkeiten und Aufgaben (Hardskills) vermitteln kann, und andererseits auch mit den weiteren, die Ausbildung berührenden Themengebiete (Softskills), wie bspw. Schulwesen oder dem Arbeitsrecht, umgehen kann.
Eine zweite Antwort hierauf gibt der Begriff „Verstehen“. Denn nur, wenn ein Ausbilder das Gesamtbild „Ausbildung“ verstanden hat bzw. versteht, erwirbt er eine fundierte Basis als soliden Ausgangspunkt, um qualitativ für die Zukunft gerüstet zu sein. Nur wer Ursachen oder Hintergründe erkennen und auch verstehen kann, der wird zukünftig in der Lage sein, als handlungssicherer Ausbilder vor seinen Auszubildenden auftreten zu können.
Nur dem Ausbilder wird seitens der Auszubildenden das nötige Vertrauen und die Achtung entgegengebracht, wenn dieser aus einem fundierten Gesamtbild heraus zum einen auf Neuerungen unterschiedlicher Art reagieren und zum anderen Rückschlüsse auf zukünftige Veränderungen ziehen kann. Folgerichtig erwirkt dieser gute Eindruck dann auch ein Bild von Kompetenz – der persönlichen Ausbildungskompetenz.
Aber auch auf der Ebene der Ausbilder untereinander, gegenüber übergeordneten Führungsebenen oder anderen, indirekt an der betrieblichen Ausbildung beteiligten Dritten lässt eine qualitativ hochwertige Kompetenz ein professionelles Erscheinungsbild zu. Eine draus begründete sachliche und objektive Kommunikation und Argumentation machen den Ausbilder schließlich zu einem wertvollen Ratgeber und Interessenvertreter.
Reiner Titel oder weitreichende Verantwortung?
Man würde einen großen Irrtum begehen, wenn man den „Ausbilder“ als einen belanglosen Titel betrachten würde, der ohne Verantwortung oder anderen Konsequenzen sei.
Bildet man „in persona“ aus, so
- übernimmt man die Verantwortung über die Qualität der innerbetrieblichen Ausbildung.
- repräsentiert man den eigenen Betrieb und ist im weitestgehenden Sinn auch Stellvertreter und Multiplikator für den Ruf – das Image – des Unternehmens.
- stellt man die Weichen für und über die, auch langfristig zu betraachtende, berufliche Zukunft eines oder mehrerer Auszubildenden.
Man vermittelt Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse in der Ausbildung über einen Zeitraum von durchschnittlich 3 Jahren. Jenes Rüstzeug ist Basis und Ausgangspunkt für Karrieren sowie eine entsprechende Lebensqualität im beruflichen wie auch im privaten Kontext. In dieser Konstellation ist es also nur konsequent, dass der Ausbilder für den Auszubildenden ein, wenn nicht sogar der erste Ansprechpartner in unterschiedlichsten Belangen ist. In solch einem Fall sollte sich der Ausbilder als Vertrauensperson verstehen und „Rede und Antwort stehen“ können.
Wenn man der Funktion und der Rolle „Ausbilder“ gerecht werden will, dann sollte man zudem die einem damit übertragene Verantwortung nicht als kleine, unbedeutende und nette Nebenfunktion verstehen. Vielmehr ist sie eine Art spezielle Berufsverwendung, in der man durchaus auch Karriere machen und in andere Ebenen eines Unternehmens aufsteigen kann.
Hat man den Bereich der Ausbildung ausgewählt, um im eigenen Betrieb oder Unternehmen voranzukommen und hier die Karriereleiter emporzusteigen, dem ist guter Rat damit getan, nicht zu vergessen und stets im Hinterkopf zu behalten, dass mit einem jeweils höheren Karrierelevel auch der Grad des Schwerpunktes verlagert wird: Die Ausbildungspraxis weicht der Theorie und die geistigen Konzeptionen entkoppeln sich zunehmend von der praktischen Handhabung und Umsetzung. Während man beispielhaft zum Beginn als Ausbilder Auszubildenden das Feilen oder Bohren beibringt, so muss man sich im weiteren Werdegang mit Beurteilungen von Auszubildenden auseinandersetzen, um dann als Verantwortlicher für die Ausbildung(en) in einem Unternehmen Ausbildungspläne oder andere Konzepte zu erstellen.
Die Personalabteilung managt die Vergütung und die Personalakte, die Rechtsabteilung überprüft den Ausbildungsvertrag und der Abteilungsleiter stellt das betriebliche Zeugnis aus. Zunächst scheint es, als würden die administrativen Vorgänge in der Ausbildung auf andere Funktionsträger verteilt zu sein. Zum Beginn seines Daseins als Ausbilder scheint man auch nur für die Ausbildungspraxis verantwortlich zu sein. Aber wie schnell kann es passieren, dass man direkt oder indirekt in die beispielgebenden Vorgänge involviert ist oder wird, wenn z.B. der Abteilungsleiter um die Meinung des Ausbilders zu einem Sachverhalt bittet? Oder die Rechtsabteilung eine Rückfrage zu einem vertraglich festgelegten Ausbildungsinhalt hat?
Durchaus kann der ein oder die andere von sich gegenwärtig sagen, dass das alles nicht der Fall sei, denn als Einzelunternehmer sind solche Konstrukte nicht gegeben, aber an dieser Stelle sollte sich ein jeder, der sich in diesem Beispiel wiedererkennt die Frage stellen: Wer garantiert einem, dass dieses Modell für einen selbst bis in alle Ewigkeit gegeben ist und auch unverändert so bestehen bleiben wird?
Fazit
Man muss nicht Alles und schon gar nicht jedes noch so kleine Detail wissen. Aber man sollte zumindest wissen, wo man suchen muss und woher oder von wem man die benötigte Information bekommen kann. Ein “Ich vermute, dass der Sachverhalt so ist. Aber ich bin mir nicht ganz sicher und prüfe noch einmal. Ich werde dir die genaue Antwort dann geben.” bricht im Einzelfall keinem einen Zacken aus der Krone oder setzt den Ruf als kompetenter Ausbilder auf’s Spiel.
Wissen ist Macht. Und diese Macht kann einem die Tür zu einer Karriere öffnen oder zumindest offenhalten. Ergreift man über die Ausbildung die Gelegenheit der Aufstiegschancen, dann ist der Antrieb zum Erklimmen der jeweiligen Erfolgslevel vor allem das Wissen und die theoretischen Kenntnisse.