
„Och, ich habe gerade meinen Meister an die Ausbildung angehängt, dann mache ich gleich im Anschluss daran den Ausbilder im Betrieb – alles kein Thema“
— Don AdA
Früher war alles besser
Ob früher alles besser war, darüber lässt sich streiten, aber die Ausbildung betreffend war es anders und auch geregelter – ein kurzer Abriss aus der Wirtschaftsgeschichte:
Vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit hinein wurde der zukünftige Lehrling in die Obhut und damit in die Familie eines Handwerksmeisters gegeben, um bei diesem das jeweilige Handwerk zu erlernen. Zunächst wurde der Lehrling in einer mehrwöchigen Probezeit durch den Lehrherrn auf seine Eignung hin geprüft. Die Ausbildung dauerte in der Regel drei bis fünf Jahre und endete mit der erfolgreichen Vorstellung eines Gesellenstücks vor dem verantwortlichen Zunftrat.
Im Anschluss daran musste der Geselle, um Meister werden zu können, für mehr als drei Jahre auf die Walz gehen. Während dieser Wanderjahre sollte der angehende Meister nicht nur Lebenserfahrung sammeln, sondern auch sein Handwerk mit neuen oder anderen Praktiken erlernen. Erst mit dem Ende der Gesellenwanderung wurden die Gesellen zur Meisterprüfung zugelassen.
Erst als Meister war es gestattet, den erlernten Beruf selbstständig auszuüben, einen Betreib zu führen und Lehrlinge auszubilden.
Mit dem einsetzenden industriellen Wandel und der beginnenden Industrialisierung ab dem 18. Jahrhundert erfolgte, einhergehend mit der wirtschaftlichen Liberalisierung und der Gewerbefreiheit, die zunehmende Bedeutungslosigkeit der zünftischen Ordnungen sowie das Aufkommen der industriellen Ausbildung. Die zunehmend wachsende Industrie brachte ihre eigene Ausbildung und damit auch Meister hervor. Ungeachtet der meisterlich ausgeprägten Qualitäten im deutschsprachigen „Fleckenteppich“ wurde mit dem Meistertitel unverändert dem Inhaber seine Kompetenz zum Ausdruck gebracht.
Mit der Liberalisierung des Bildungswesens in den letzten Jahrzehnten zählt der „Meister“ als Aufstiegsfortbildung, ist nicht mehr zwangsläufig eine Voraussetzung, um einen eigenen Betrieb zu eröffnen oder ausbilden zu dürfen. Speziell das Ausbilden betreffend bedarf es heute lediglich dem Nachweis der berufs- und arbeitspädagogischen Kenntnissen nach der AEVO – zuletzt aus dem Jahr 2009. Dieses AEVO-relevante Wissen kann man sich zum Beispiel in einem Vorbereitungskurs von 80 Stunden aneignen.
Zwar gab es vor noch nicht allzu langer Vergangenheit Berufe, in denen man zwischen dem Gesellen und dem Meister drei Jahre im Beruf arbeiten musste, jedoch hört man davon gegenwärtig nichts mehr. Viele ehemaligen Lehrlinge hängen nach absolvierter Gesellenprüfung direkt die Weiterbildung zum Meister an.
Heute ist alles anders
Die Ausbildung der Lehrlinge oder späteren Auszubildenden hat über die Jahrhunderte nicht an Bedeutung verloren und ist unverändert der Grundstein sowie Ausgangsbasis für die Produktion und Herstellung. Mit dem erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zählt man zu den Fachkräften.
Um zusätzliche Fähig- und Fertigkeiten zu erwerben muss man auch nicht mehr auf die Wanderschaft gehen, sondern meldet sich bequem von zuhause aus bei einem Ausbildungsträger online an.
Zünftische Ordnungen sind einem umfassenden Liberalismus gewichen.
Was hat sich also grundlegend über die große Zeitspanne verändert?
Betrachtet man, wieder vereinfacht, die neuzeitliche Ausbildung mit der heutigen, so ergeben sich nahezu identische Ausbildungszeiten bis zum Erhalt des Meistertitels. Das berufsspezifische Wissen wurde und wird in gut sechs Jahren an die Folgegeneration weitergegeben.
Das, was sich aber grundlegend verändert hat, ist die Erfahrung der Ausbildenden. Durch die Abschaffung von staatlichen Regularien und gesellschaftlichen Vorgaben ist schlicht und ergreifend die wertvolle Erfahrung verloren gegangen.
Ein gutes Beispiel hierfür ist die Unterweisungsprobe eines Technischen Systemplaners (vor 2011: Technischer Zeichner). In seiner 4-Stufen-Methode ließ er seinen Auszubildenden eines Bauplans falten und in einem Schnellhefter abheften. Auf die Frage eines älteren Prüfers, warum ein Plan so gefaltet wird konnte der Prüfling nur antworten, dass man so ein solch großes Zeichenblatt konform der DINA4-Größe falten kann. Er konnte aber nicht sagen, dass diese Falttechnik auch dazu geeignet ist, den Plan aufschlagen zu können, ohne diesen aus dem Hefter zuvor entnehmen zu müssen.
Ja, wann denn nun der Ausbilderschein?
Dem Volksmund zur Folge „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr“ fällt es einem Jüngeren wesentlich einfacher, in kürzerer Zeit sich neues Wissen anzueignen. Biologisch betrachtet ist diese Volksweisheit ein Irrglaube, da das menschliche Gehirn auch in hohem Alter neue Neuronen und Verbindungen zwischen Neuronen aufbaut. Vielmehr ist es für einen Älteren schwieriger, sich aus dem bestehenden Rhythmus und dem gewohnten Alltag zu lösen, um sich der Wissensaneignung zu stellen. Erfahrungsgemäß schließen die Prüflinge in der Altersklasse 40 bis 50 deutlich besser in den Prüfungen ab als bspw. die angehenden Jungmeister oder Fachwirte.
Ungeachtet dessen bietet es sich an, möglichst frühzeitig den Ausbilderschein zu machen und sich die damit verbundenen Qualifikationen anzueignen. Auch in einer potentiellen Bewerbungsmappe macht sich diese Zusatzqualifikation durchaus positiv.
Die oben gestellte Frage erhält aber auch einen rhetorischen Charakter, wenn man bedenkt, dass die Ausbilderqualifizierung bereits in den Kursen der Meister als Kursbestandteil enthalten sind oder der theoretische Wissensanteil bei den Fachwirten mit den entsprechenden Abschlussprüfungen geprüft wird – es fehlt dann nur noch die praktische Prüfung.
Fazit
Bis zur modernen Gegenwart war die Antwort auf die Frage durch die zünftischen Ordnungen vorgegeben und stellte sich einem bis zur Freisprechung nicht.
Heutzutage ist man in dieser Entscheidung weitestgehend frei. Man sollte sich dennoch reiflich überlegen, ob man persönlich bereits einen solchen Erfahrungsschatz gesammelt hat, um nicht nur Handlungsanweisungen geben und kontrollieren zu können, sondern ob man auch das entsprechende Systemverständnis vermitteln kann. Denn nur der theoretische und praktische Einklang ist in der Ausbildung erfolgsversprechend und zielführend.
Den einen, richtigen und passenden Zeitpunkt gibt es schlicht und ergreifend nicht. Der individuelle Charakter, der eigene Persönlichkeitstyp und die persönlichen Erfahrungen, im beruflichen und privaten Kontext, sowie in jederlei Hinsicht die eigene Bildung ergeben unter Berücksichtigung betrieblicher Vorgaben und Rahmenbedingungen die Entscheidungsgrundlage ob, wie und wann die Tätigkeit als Ausbilder aufnimmt und zum Wohle des Unternehmens ausübt.